Segelkurs 2018 in Berlin vom 04.07.-12.07.2018
von Jörg Bergmann
Die Meuterei auf der Bounty
von Robert Heuser
Man glaubte sich auf dem Weg zu einem Filmvestival, das ausschließlich maritime Filme zeigen würde. „Die Caine war ihr Schicksal“, „Windjammer“, „Moby Dick“… Es war aber nichts dergleichen. Um sich die Zeit bei der langen Anfahrt von Aachen nach Berlin zur Segelwoche des BFS e.V. zu vertreiben, hatten die Fahrgäste einen Wettbewerb gestartet, wie viele Schiffsnahmen von Segelschiffen aus Film, Literatur und dem realen Leben man wohl zusammen bekäme und wer die meisten wüsste. Das waren ganz schön viele und manche Geschichte knüpfte sich an die Namen. Käpt’n Bligh zum Beispiel, der fiese Käpitän auf der Bounty, ein erstklassiger Seemann und Nautiker, aber wahrscheinlich ein mieser Charakter. Na ja, das war eine großartige Idee mit diesem Spiel und auf jeden Fall besser, als Nummernschilder der reichlich vorhandenen Autos auf der Piste zu identifizieren. Müde und hungrig, aber um einiges schlauer, was die Seefahrt angeht, erreichten die Reisenden aus NRW am Spätnachmittag des Mittwochs das Schülerbootshaus am Tegeler See im Norden Berlins. Da waren die Brandenburger, Berliner, Baden Württemberger und Niedersachsen schon da. Der letzte Schultag in Berlin ist ja immer der Beginn des 9-tägigen Segelkurses. Nach Zimmereinweisung und Betten beziehen gab es ein schönes Abendessen und die anschließende Vorstellungsrunde für die 20 Teilnehmer*innen und 10 Betreuer- und Segellehrer*Innen.
Was muss man über diese Veranstaltung wissen, die der BFS e.V. Bundesverband nun schon im 27. Jahr in Kooperation mit seinem Landesverband durchgeführt hat? Also, da ist das seit 40 Jahren bestehende Segelprojekt des BFS Berlin Brandenburg e.V., das den äußeren Rahmen, das Bootshaus des Berliner Bezirks Mitte am Schwarzen Weg in Tegel, die Boote, die Segellehrer*innen und die gesamte „Vor Ort“ Organisation stellt. Da ist der Bundesverband, der die Ferienfreizeit bundesweit ausschreibt, organisiert und finanziert, Förderung aus Mitteln des Bundesjugendplans durch das Ministerium für Frauen, Senioren und Jugend beschafft und für Hilfe und Unterstützung bei der An- und Abreise sorgt. Er stellt auch regelmäßig zwei Betreuer und Segellehrer, die auch als Fahrer und Entertainer dienen. In diesem Jahr waren 12 Jungen und 8 Mädchen dabei, die Jüngste 10, der Älteste 18 Jahre alt.
Das Wetter war gut, geregnet hat es nur einmal, wir konnten planmäßig segeln, nur einmal ist es ausgefallen, weil der Wind schlief und sich nicht wecken ließ. So haben wir halt gebadet und auf den gespendeten Gummigeräten der Fa. Wibit herumgetobt, bis nichts mehr trocken war. Erstmalig hatten wir auch stand-up-paddle-boards, womit man ja auch ohne Wind auf dem Wasser mit Muskelkraft und gutem Gleichgewichtssinn vorankommen kann. Segeln war aber die Hauptsache und was dabei alles zu lernen und zu beachten ist, passt nicht auf diese Seiten. Demonstration von ohnmachtssicherer Rettungsweste, Kenterübung, Knoten lernen, Boot- und Takelageteile richtig benennen, Kommandos an Bord, Ausweichregeln, Windkurse, Segelstellung, Wende und Halse fahren, Mann/Frau über Bord Manöver… – da kommt so einiges zusammen. Viel mehr als in einer Woche Schule und vor allem eine willkommene Alternative zu Algebra oder Grammatik.
Wer dazu mehr wissen will, sollte einen Segelkurs machen, bzw. sich für nächstes Jahr beim BFS e.V. anmelden oder auf der Internetseite www.bfs-berlin.de die vielen Berichte aus den Vorjahren anschauen.
Die Segelkursolympiade mit 4 Teams fand natürlich auch statt. Leider, leider ohne Benjamin Johannfunke als Betreuer. Sein Chef hatte ihm keinen Sonderurlaub und noch nicht einmal regulären Urlaub für diese eine Woche geben wollen. Wie war das mit Käpt’n Bligh…? – nicht jeder gute Kapitän ist auch ein guter Mensch.
Die Olympiade-Wettkämpfe gestalteten sich äußerst spannend. Der Triathlon, rennen ums Bootshaus, Zielwerfen eines Balls in eine Badeinsel und schwimmen zur Boje an der Hafeneinfahrt und zurück waren schon ziemlich aufregend. Der Höhepunkt war aber das Wasserballon-Volleyballturnier, in dem alle Mannschaften gegeneinander antraten. An einem Tag stand ein stand-up-paddling-Wettbewerb auf dem Programm und selbstverständlich wurde auch der darstellenden Kunst eine Aufgabe gewidmet – eine Szene nach freier Wahl war von jedem Team aufzuführen. Das Wettsegeln aller Teams war ein weiteres Highlight.
Jeden Tag in der Freizeit wurde Tischtennis gespielt und bei einem spannenden TTT (Tisch-Tennis-Turnier) gab es ein Überraschungssieger.
Zum Besuch der Einsatzhundertschaft der Bundespolizei mit Demonstration all ihrer Fähigkeiten und Möglichkeiten kann der Chronist nicht berichten. Er nahm daran nicht teil, weil er das erstens schon bestens kennt und zweitens zwei Besucher abholen musste. Deshalb hier wieder der Rat: Schaut auf die o.g. Website, da findet ihr einschlägige Berichte.
Drei Besuche haben wir empfangen dürfen. Einmal hat uns Martina für 2 Tage über die Schulter geguckt, um die Abläufe kennenzulernen, ein Sportlehrer des Förderzentrums für Sehbehinderte in Schleswig hospitierte einen Tag und die aufregendste Begegnung war eine Schülergruppe, die eine Klassenfahrt nach Berlin nutzte, um das Segelprojekt zu besuchen. An einem so heißen Tag vielleicht ein bisschen zu viel Programm für einige SchülerInnen. Ein Kreislaufzusammenbruch eines Mädchen und daraufhin das ganz große Nervenflattern bei ihrer Freundin waren die Folge. Aber wir, bzw. unser BFS-Sanitäter, haben die Situation gemeistert und mit Feuerwehr und Notarzt-Einsatz alles ins Lot gebracht, so dass die Gruppe am Abend in die Jugendherberge zurückkehren und die Heimreise am nächsten Morgen antreten konnte.
Unseren großen sportlichen Auftritt neben dem Segeln hatten wir im Kletterpark in der Jungfernheide. Nach gründlicher Einweisung und Sicherheitsbelehrung ging es auf den grünen und roten Parcours – den schwarzen und schwersten hat keiner von uns geschafft. Wie mir Marco später erklärte nicht, weil wir Angst davor gehabt hätten oder nicht stark und geschickt genug gewesen wären – nein, es war einfach nicht genug Zeit dafür. Wir mussten auf der grünen und roten Strecke dauernd warten, weil unsere Vorgänger zu langsam waren. Aber es hat uns gut gefallen und keiner ist runtergefallen.
Was gab es noch? Wir haben gut gegessen, Heike hat wunderbar gekocht und der jeweilige Küchendienst – er wechselt jeden Tag zwischen den Zimmern – funktionierte auch einwandfrei. Wir haben manchmal abends gegrillt und natürlich eine wunderbare Nachtfahrt mit dem Zweimaster „Ran“ gemacht. Dabei gab es einen neuen Rekord. Sage und schreibe 32 Minuten herrschte absolute Stille auf dem Schiff. Alle haben das ruhige Dahingleiten unter vollen Segeln auf dem dunklen See mit den Lichtern der Strandpromenade in der Ferne schweigend genossen.
Dem Bundesinteresse an der politischen Bildung der Teilnehmenden haben wir selbstverständlich auch Rechnung getragen. Den Reichstag haben wir umrundet und das Regierungsviertel bestaunt. In die Reichstagskuppel konnten wir leider nicht. Da waren die Fensterputzer am Werk und sie war drei Tage geschlossen. Das Brandenburger Tor, den Ort der Stille mit der Gedenkstätte für die ermordeten Sinti und Roma und das Holocaust Mahnmal haben wir besucht. Den Potsdamer Platz mit der ältesten Verkehrsampel Deutschlands haben wir besichtigt und auf der Straße den markierten Mauerverlauf entdeckt. Nach alledem haben wir erschöpft ein großes Eis in den Potsdamer-Arkaden gegessen und sind mit S- und U-Bahn zurück nach Tegel gefahren. Glücklicherweise wartete ein Grillabend auf uns und wir kamen nach so viel geistiger Nahrung auch noch körperlich auf unsere Kosten.
Der letzte Tag erlaubte uns noch einmal Segeln am Vormittag und dann musste aufgeräumt und sauber gemacht werden. Abends gab es die Siegerehrung der Olympiade und das Abschlussgespräch. Da wurden auch kritische Anmerkungen gemacht. Der eine oder andere Segellehrer wünschte sich einen freundlicheren Umgang miteinander. In den ersten Tagen hatte es da zwei Streithähne gegeben, die erst nach ernster Ermahnung das Kriegsbeil begraben hatten. Eine Meuterei, wie seinerzeit auf der Bounty, hat es aber auf keinem der Boote gegeben.
Insgesamt wurde große Zufriedenheit mit dem ganzen Verlauf und den Zimmergemeinschaften geäußert. Wiederkommen wollen alle und hoffen auf ein Wiedersehen im nächsten Jahr beim Sportkurs des BFS e.V. in Rheda-Wiedenbrück.
Der nächste Morgen brachte Abschiede, Tränen und viel Winken und Hupen, als die Fernreisenden das Bootshaus um 9:30 Uhr hinter sich ließen. Auf der langen Rückfahrt, der letzte war erst um 20:15 Uhr zu Hause, tauchten dann noch einige Fragen auf. Wie zum Teufel hieß das dritte Schiff aus der Flotte des Christoph Kolumbus, Santa Maria, Pinta und …? Und ja, das Walfängerschiff des Kapitäns Ahab aus Moby Dick hatte doch auch einen Namen. Bitte, wer die Antworten weiß, schreibe mir eine Mail.