Segelkurs 2017 in Berlin vom 15.07.-24.07.2017
Lassen SIE mich!!! Ich kenne SIE nicht!!
Segelkurs des BFS e.V. in Berlin 2017
Robert Heuser
Ja, so haben sie geschrien und werden schreien, wenn sie angegriffen oder belästigt werden. Wer? Na die Teilnehmer*innen des Segelkurses natürlich. Wieso? Weil sie es intensiv einen halben Tag lang geübt haben.
Zunächst aber einmal die technischen Daten des diesjährigen Segelkurses des BFS e.V. in Berlin am Tegeler See vom 15. bis 24. Juli 2017. Diesmal hat er nicht neun, sondern zehn Tage gedauert. Es galt nämlich gleich zu Anfang, erst einmal das 40-jährige Jubiläum des Segelprojektes des BFS Landesverbandes Berlin-Brandenburg zu feiern. In dieser Visus gibt es dazu einen Artikel des 1. Vorsitzenden Stephan Kuperion. Der auch immer der Vor-Ort-Projektleiter der Segelwoche des BFS Bundesverbandes war und ist. Wir können diesen Bericht aus Sicht der Teilnehmer*innen des Segelkurses nur mit der Feststellung ergänzen, dass es ein wunderbares Fest war, wir viel Spaß hatten und am Festtag selbst ein wenig mithelfen konnten .
Dank der Förderung aus Mitteln des Bundesjugendplans durch das Ministerium für Frauen, Senioren und Jugend konnten 19 Kinder und Jugendliche zehn Tage unbeschwert segeln und interessante Dinge erleben. Das Schülerbootshaus des Berliner Bezirks Mitte, Am Schwarzen Weg, war vom Samstag bis zum Montag der Folgewoche Schauplatz der Aktivitäten dieser Kinder und Jugendlichen und der zehn Betreuer*innen. Sieben Mädchen und zwölf Jungen, die Jüngste zehn, der älteste 18 Jahre alt lernten Segeln oder konnten ihr Segelwissen und -können verbessern. Sechs Bundesländer waren vertreten, ein Teilnehmer kam aus Afghanistan und einer aus St. Petersburg.
Zimmerbelegung, Kennenlernen des Geländes und der neu gestalteten Steganlage, Einführungs- und Vorstellungsrunde, Wahl der Zimmersprecher und Aufgabenstellungen für die Segelkursolympiade hatten wir bis Montagvormittag schon erledigt.
Die T-Shirts für alle Teilnehmenden gab es schon am Samstag – schließlich wollten wir beim Fest am Sonntag einheitlich auftreten.
Unser Kursprogramm konnte dann am Montag mit der üblichen Einweisung in die Boote und Sicherheitsregeln starten. Zur Demonstration, wie sicher und toll so eine ohnmachtssichere Rettungsweste funktioniert, hat sich gleich einer der älteren Teilnehmer gemeldet und ist, nachdem er simuliert ohnmächtig vom Steg ins Wasser fiel, völlig unbeschadet gerettet worden.
Am Nachmittag wurde dann bei idealem Ausbildungswind (Windstärke drei) zum ersten Mal gesegelt. Die Segelkursolympiade hatte für jeden Tag eine oder mehrere Aufgaben. Es wurden vier Teams gebildet: rot, grün, gelb und blau. Nach dem Frühstück haben Benni und Willi, die Segellehrer aus Ostwestfalen, die Aufgabe des Tages erläutert. Am Montagabend ging es z. B. darum, ein Kunststück oder einen Sketch vorzuführen.
Der Dienstag brachte schon den ersten Ausflug ins Jump-House in Berlin Reinickendorf. Zwei Stunden heftiges Toben mit Trampolinspringen, Rutschen, Springen in mit Schaumstoffwürfeln gefüllte Becken und und und… Es war super und ganz schön anstrengend. Über Muskelkater klagten am nächsten Tag fast alle. Zum Segeln am Nachmittag, der Organisation und den Tagesabläufen im Einzelnen sei auf die Berichte aus den Vorjahren verwiesen, nachzulesen in den Visus Heften und auf
Der Folgetag begann nach dem Frühstück mit Segelausbildung in allen Booten. Das Tagebuch verzeichnete guten Wind, keinen Regen und keine Havarien oder Kenterungen. Der Nachmittag brachte einen Höhepunkt der Olympiade, den Triathlon. Rennen ums Bootshaus, Zielwerfen eines Balls und Schwimmen zur Boje und zurück. Am Abend wurde gegrillt und gefeiert. Jörg Sendlewski wurde für seine 40-jährige Tätigkeit als Segellehrer ausgezeichnet. Zur Geisterstunde gab es die Nachtfahrt mit dem Zweimaster, der „Run“. Der Donnerstag gehörte ganz dem Segeln und der Segeltheorie. Bei gutem Wind machten alle große Fortschritte und auch die Topper, Boote etwas größer als ein Surfbrett, kamen zum Einsatz.
Am Freitag ging es dann aber in einem ganz anderen, weniger angenehmen, Lebensbereich zur Sache. Ein Sicherheitstraining für Kinder und Jugendliche beanspruchte uns sehr intensiv. Christian und Dennis vom Alpha Team Berlin Brandenburg haben uns als erfahrene Polizei-Einsatztrainer über Gewalt-Konflikt-Situationen in Schulen und dem öffentlichen Raum, sprich dem Leben auf der Straße und in Verkehrsmitteln etc., berichtet. Wen spricht man an, wenn es derartige Vorfälle gibt? Wie verhält man sich selbst in der konkreten Situation? Da haben wir viel gelernt. Sie-Wörter zum Beispiel. Da schaue man/frau nochmal nach der Überschrift dieses Artikels. Auf gar keinen Fall Vertraulichkeit oder Nähe aufkommen lassen. Abstand halten, zwei Armlängen mindestens. Abwehr von Übergriffen oder Angriffen durch Schreien. Abwehrhaltung, Hände nach oben, Handflächen nach außen, Hammerschlag, d. h. Faust ballen und von oben nach unten schlagen oder Trommelschlag auf die Brust des Angreifenden. Wir haben Treten geübt, Beinstöße, Befreiung aus dem Würgegriff bzw. Schwitzkasten. Den Abschluss bildeten Übungen, in denen die inzwischen in Schutzanzügen auftretenden Trainer uns Gelegenheit gaben, alles was wir gelernt hatten, konsequent anzuwenden. Dazu wurde eine Entführungssituation simuliert, glücklicherweise auf dem gepflegten Rasen hinter dem Bootshaus. Sonst hätten wir uns vermutlich doch ein bisschen wehgetan. Das hört sich sehr martialisch und gefährlich an. Aber der Schwerpunkt der Unterweisung lag natürlich auf Deeskalationstechniken, Verhältnismäßigkeit auf dem Schulhof und der Straße, Umgang mit Angst, Tricks der Täter und Gefahren erkennen und vermeiden. Es waren drei überaus lehrreiche Stunden und wir alle waren danach etwas stolz auf uns und unsere Fähigkeit zur Selbstbehauptung und Steigerung unseres Selbstbewusstseins. Beide Trainer haben dann mit uns zu Mittag gegessen und waren fix begeistert von unserem Segelprojekt. Die Olympiade stellte am Nachmittag und Abend zwei Aufgaben: zunächst das „Show Down“-Turnier (Show Down ist ein Blindentischtennis) und dann die „Wasser-Ballon-Vollyball“-Wettkämpfe an denen, außer Konkurrenz, auch die Segellehr*innen teilnahmen.
Am nächsten Morgen war die Aufregung groß. Was war los, welche Sensation bahnte sich an? War etwa ein verbindlicher Fertigstellungstermin für den Berliner Flughafen bekannt geworden? Nein, nichts dergleichen, Sydney-Marie wurde 14 Jahre alt. Der Geburtstag machte das Frühstück zu einem Event, das noch tagelang Gesprächsstoff bildete. Neben dem Geschenk und dem Ständchen, das wir lauthals vortrugen, wurde zur Feier des Tages im Rahmen der Olympiade eine Segelregatta ausgetragen. Die vier Teamvertreter, bestehend aus Steuerfrau/-mann und Vorschoter*in, segelten nacheinander mit der Jolle Partner, auf einem durch Bojen abgegrenzten Dreieckskurs. Angefeuert durch Ihre Olympia-Teams und alle Teilnehmenden. Jörg Bergmann erfasste die Windgeschwindigkeit, bei größeren Abweichungen wären die Fahrzeiten entsprechend korrigiert worden. Dies war nicht erforderlich und es gab ein spannendes Finish. Wunderbare Segelstunden bei respektablem Wind rundeten das Ganze für alle ab.
Am Nachmittag machte sich eine Gruppe von Berlin-Enthusiasten auf, um die Hotspots der Hauptstadt zu erkunden. Die Wilde 13 in Begleitung von Willi Repke, Robert Hanrath und Robert Heuser nutzten U- und S-Bahn, um bei ziemlich scheußlichem Wetter wenigstens einen Blick auf den Reichstag und das Brandenburger Tor zu werfen. Den schlimmsten Schauer haben wir in der Akademie der Künste abgewettert. Das hört sich bei unserem Bericht sicher sehr gut an und unterstreicht unseren Kulturanspruch. Aber zugegeben: Wir waren nur in der Vorhalle, um den Regen abzuwarten. Zu guter Letzt wurden wir aber dann in den Potsdam-Arkaden mit traumhaften Eisbechern für aller Mühe und Unbill belohnt. Als wir um 20:30 Uhr zurückkamen, war der Grill angeheizt und es gab ein vorzügliches Abendessen. Dafür danken wir Heike, Eike und Benni und natürlich dem Küchendienst.
Sonntag, der 23. Juli 2017. Ein Sonntag wie jeder andere? Nein! Theodor hatte Geburtstag, er wurde 13 Jahre alt. Obwohl er Schwabe ist, genießt er nach dieser Segelwoche sogar bei den Berlinern große Sympathien. Natürlich erhielt er als Geschenk das unvermeidliche Berlin-T-Shirt und gesungen haben wir auch wieder sehr schön. Aber das Sensationelle war nicht mehr gegeben. Pech, dass Sydney gestern Geburtstag hatte. Zudem kam das Päckchen seiner fürsorglichen Mutter, das eine tolle Süßigkeiten-Party ermöglichen sollte, erst am Montag nach der Abreise an. Geburtstage – insbesondere ein 13. – können schon mal unter einem unglücklichen Stern stehen. Das Tagesprogramm entschädigte aber für alles: Eine Bowling Session in den Borsighallen war geplant. Ein sportlicher Abschluss und der ideale Auftakt für das nachmittägliche Aufräumen und Säubern der Boote. Die standen dann am Abend wohlversorgt auf ihren Plätzen, sodass nach dem Abendessen die Abschlussrunde mit Auswertung der Segelkursolympiade stattfinden konnte. Gesiegt in der Gesamtwertung hatte das Team grün und erhielt die Goldmedaille. Mit auf den Siegerplätzen und mit Silber und Bronze dekoriert die Teams gelb und blau. Das Abschlussgespräch gab allen Gelegenheit, ihre Eindrücke zu schildern, und Lob oder Kritik zu äußern. Dank an die Küchenmeisterin, die großartige Organisation und das Rahmenprogramm mit dem Highlight Sicherheitstraining waren das, worauf sich alle einigen konnten. Der nächste Morgen brachte den Abschied. Die Fernreisenden und Berlin-Brandenburger wurden mit guten Wünschen verabschiedet und letzte Kontaktdaten ausgetauscht. Die gute Seele des Bootshauses, Iso, der Haus- und Bootswart, wurde umarmt und so gedrückt, dass vermeintlich Gefahr für Leib und Leben bestand. Wiedersehen ist möglich, nächstes Jahr beim Sportkurs im Februar oder im Sommer am Strand des Tegeler Sees.
AC, 09.11.2017 / He